Allgemein Kommunalpolitik

Digitalisierung in Schulen nach PIRATEN-Art

Frontalunterricht in Klassen mit Kreide an der Tafel war gestern – sollte man im Jahr 2021 zumindest meinen. Die Praxis sieht auch heute leider meist noch anders aus, teilweise gar noch immer wie in den 80ern.

Schlechte WLAN-Ausleuchtung in den Klassenräumen, mangelnde Netzbandbreite der schulischen Gesamtanbindung, Glasfaseranschluss ein Fremdwort, fehlende Endgeräte für die Schüler und mangelnde Kenntnisse und Digitalisierungskonzepte des Lehrpersonals sind an der Tagesordnung. Die Corona-Pandemie hat die bestehenden Defizite gnadenlos offen gelegt, wirklich bewegt hat sich auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie nicht viel. Die ausgelobten Gelder aus dem Digitalpakt fließen nicht, man möchte nun Konzepte entwickeln – dabei müßten diese inzwischen längst in Betrieb sein.

Was der erste Kreisbeigeordnete Marian Zachow (CDU) der Oberhessischen Presse am 18. Februar 2021 mitteilt spricht in diesem Zusammenhang Bände:

„Obwohl wir mit Hochdruck daran arbeiten, werden wir erst Ende 2022 WLAN-Ausstattung in jedem Klassenraum haben.“

Oberhessische Presse, 18.02.2021

Also erst Ende 2022 – kaum zu fassen.

Ähnliche Hiobs-Botschaften mußen PIRATEN in der Sitzung des Marburger Schul- und Kulturausschusses vom 21. Januar diesen Jahres entgegen nehmen, wo sich bei der Vorstellung der Digitalpaktumsetzung u.a. herausstellte, dass die Stadt offenbar den üblichen Grosskonzernkonzepten auf den Leim gegangen ist und nun – entgegen der von PIRATEN eingebrachten und vom Stadtparlament klar beschlossenen Grundsatzbeschlüsse – auch weiterhin an proprietärer Closed Source Software festhalten möchte (z.B. Microsoft Office & Windows), obwohl es reichlich Open Source Alternativen gibt (z.B. Libre Office & Linux). Dies verursacht unnötige Kosten und geht mit noch immer ungeklärten Datenschutzfragen und erheblichen, teils unerkannten Sicherheitslücken einher. Darüber hinaus werden die Schülerinnen und Schüler durch die Verwendung von fertig vorkonfigurierten Endgeräten der großen Hersteller darauf konditioniert, diese auch in Zukunft zu verwenden – eine solche, hier bereits von der öffentlichen Hand vorbereitete Firmenbindung, sehen wir überaus kritisch.

PIRATEN haben da andere Vorstellungen. Es geht schon damit los, dass wir uns aus unserer Sicht bereits und gerade (!) an Schulen damit befassen müssen, dass demokratische Grundprinzipien der Mitbestimmung und der Übernahme von Verantwortung so früh wie möglich praktiziert werden. Von oben herab diktierte Pläne und Organisationsstrukturen haben da keinen Platz und daher hatten wir – ebenfalls in der Sitzung des Schul- und Kulturausschusses vom 21. Januar 2021 – einen entsprechenden Antrag eingebracht. Dieser wurde aus für uns unerfindlichen Gründen abgelehnt, was ein weiteres Indiz für die Unbeweglichkeit der aktuellen Stadtpolitik ist und zeigt, dass die etablierten Parteien keine sinnvollen Lösungen anzubieten haben.

Neben einer aus unserer Sicht grundlegend zu überarbeitenden demokratischen Teilhabe der Schülerschaft an Entscheidungsprozessen in ihren Schulen sind auch die räumlichen Infrastrukturen unserer Schulen inzwischen alles andere als zeitgemäß. Das Lehren und Lernen in Klassenverbünden machte noch nie Sinn. Nehmen wir den Mathematikunterricht als Beispiel: Dort hat man Kinder und Jugendliche ganz unterschiedlicher Fähigkeiten. Bedeutet: Für die Guten ist der Unterricht – dessen Anspruch es ja ist, alle irgendwie mitzunehmen – langweilig, die Durchschnittlichen lawieren sich so durch und für die Matheunbegeisterten ist alles viel zu komplex. Kurz: Von dieser Art Unterricht profitiert letztlich niemand, es resultiert eine Art Gleichmachereidurchschnitt weitgehend ohne individuelle Förderung und Ursache der Misere ist primär die Klassenstruktur. PIRATEN befürworten daher eine Auflösung von Klassen- und Alterslernverbünden und die Schafffung völlig neu gestalteter, eher gemütlicher Lehr- bzw. Lernumgebungen, in denen Schülerinnen und Schüler sich wohl fühlen – in Skandinavien ist diesbezüglich schon allerhand umgesetzt.

Wir müssen darüber hinaus auch in Marburg endlich Konzepte des adaptiven Lernens aufgreifen. Diese lassen sich insbesondere in Zeiten voranschreitender Digitalisierung hervorragend durch den Einsatz von Laptops bzw. Tablets als Lernbasis umsetzen. Moderne, digital-automatisierte Erfolgskontrollen z.B. auf Basis von Machine Learning nehmen Lehrern viel mühselige Korrekturarbeit ab, sodass massiv Zeit frei wird für die viel wesentlicheren Aufgaben des indivduellen Förderns und Betreuens Einzelner.

Anstelle, wie es die Stadt Marburg offenbar angedacht hat, flächendeckend vorkonfigurierte Fertiglösungen in Form von kostspieligen Tablets eines Grosskonzerns einzusetzen, sollten Schulen aus PIRATEN-Sicht spätestens von der 5. Klasse an zunächst den Zusammenbau des eigenen, auf Open Hard- und Software basierenden Laptops bzw. Tablets auf den Lehrplan setzen. Es gibt inzwischen wunderbare, universell einsetzbare Lösungen, z.B. auf Grundlage des Raspberry Pi – sowohl als Laptop (vgl. z.B. Pi-Top) als auch als Tablet (vgl. z.B. RasPad). Dadurch lernen die Kids von vorn herein, wie solche Geräte aufgebaut sind, können Komponenten selbstständig ersetzen und ihr Gerät ggf. sogar individuall erweitern, was Kreativität fördert. Darüber hinaus bietet der Einsatz eines solchen Universal-Systems direkt und ohne jegliche Mehrkosten die Integration des Anschlusses von externen Elektronikbauteilen, wodurch spätere Robotik-AGs, Anwendungen im Informatik-Unterricht und vieles mehr von vorn herein angelegt sind.

Abschließend noch zwei Probleme, die auch von städtischer Seite gern übersehen werden: Nicht alle Schülerinnen und Schüler sind von Haus aus ausreichend ans Internet angebunden. Das aber ist Voraussetzung für digitales Lernen. Aus diesem Grund haben PIRATEN vor Jahren erfolgreich ein Freifunk-Förderprogramm angestoßen und fordern konsequent den weiteren Ausbau dieses freien Netzes, z.B. in Bürgerhäusern, an Bushaltestellen und in Strassenlaternen. Es macht nur begrenzt Sinn, ein digitales Schulkonzept zu entwickeln, wenn die Kids dann zu Hause abgehängt sind. Desweiteren ist es alles andere als ausreichend, für Digitalisierungsvorhaben lediglich Geld bereit zu stellen. Man kann vom Lehrpersonal nicht auch noch verlangen, die komplette IT-Infrastruktur zu betreiben. Derzeit läuft es aber darauf hinaus. Was also her muss ist zusätzliches Fachpersonal, das anfallende IT-Aufgaben in den Griff bekommt.

Kurz: Während wir bei den etablierten Parteien das übliche Festhalten an alten, fehlgeschlagenen Konzepten und eine generelle inhaltliche Unbeweglichkeit beobachten, haben PIRATEN durchdachte Praxislösungen am Nabel der Zeit zu bieten.